Das Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 – die Kritik

© Martin Kozcy

Der Handel mit Emissionsrechten boomt im vermeintlichen Öko-Land Österreich angesichts massiv steigender Emission von Treibhausgasen. Mit einschneidenden und wirkungsvollen Maßnahmen gegen den Klimawandel geizt die Politik bislang. Ob die Novelle des Energieausweis-Vorlage-Gesetzes da Abhilfe schafft?

Das Energieausweis-Vorlage-Gesetz (EAVG) fristet zeit seines Bestehens ein eher bescheidenes Dasein. Der Energieausweis wird vielfach (vor allem bei Altbau-Immobilien) eher als nutzlose Last denn als sinnvolles Mittel zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden gesehen. Die zahnlosen Bestimmungen des EAVG, die zudem großen Spielraum für Ausnahmen offen lassen, tragen das Ihrige dazu bei.

Neue Pflichten und Sanktionen

Dank Kyoto-Protokoll und EU-Gebäuderichtlinie 2010 soll sich das ab 1.12.2012 mit dem neuen Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 (EAVG 2012) ändern – wie Kollege Dr. Peter VCELOUCH in seinem Fachbeitrag ausführlich dargelegt hat.

Geht es nach dem am 20.4.2012 im Bundesgesetzblatt (BGBl I 27/2012) kundgemachten Bundesgesetz, soll die Rechtslage durch explizite Haftungs- und Gewährleistungsbestimmungen sowie durch Androhung von empfindlichen Verwaltungsstrafen an Effektivität gewinnen und dafür sorgen, dass

  • Verkäufer/Vermieter von Immobilien Ihrer Pflicht zur Vorlage und Aushändigung des Energieausweises auch tatsächlich nachkommen;
  • Immobilienmakler bereits in den Immobilienanzeigen (egal ob in Druckwerken oder in elektronischen Medien) den Heizwärmebedarf und den Gesamtenergieeffizienz-Faktor des Objekts angeben oder diese Daten vom Verkäufer bzw. Vermieter zumindest anfordern;
  • Käufer/Mieter von Immobilien aus einem nicht vorgelegten oder unrichtigen Energieausweis Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer bzw. Vermieter ableiten können;
  • Sachverständige dem Käufer/Mieter von Immobilien für die Richtigkeit des ausgestellten  Energieausweises direkt haften.

Erwartungen an das EAVG 2012

Die Politik erwartet sich davon jedenfalls mittel- bis langfristig wesentliche Impulse für die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden und die Verringerung der Emission von Treibhausgasen. Dass sich diese Erwartung auch tatsächlich erfüllt, ist insbesondere aus folgenden Gründen zu bezweifeln:

  • Das EAVG 2012 räumt dem Verkäufer/Vermieter und dem Sachverständigen einen großen Interpretationsspielraum ein was die Richtigkeit des Energieausweises anlangt.
  • Das EAVG 2012 gibt dem Käufer/Mieter keine attraktiven Behelfe in die Hand, die diesen tatsächlich motivieren würden, die Aushändigung eines richtigen Energieausweises durchzusetzen.

Die unbestimmte „Bandbreite“

So sieht das EAVG 2012 im neuen § 6 vor, dass der Verkäufer/Vermieter und der Sachverständige „…nur unter Berücksichtigung der unvermeidlichen Bandbreiten…“, die bei der Ermittlung der Energiekennzahlen auftreten können, für die Richtigkeit des Energieausweises Gewähr zu leisten haben. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage wird dazu ausgeführt, dass die Größe dieser Bandbreite im Einzelfall eine Sachverständigenfrage sei.

Welche Bandbreite hier gemeint ist, lässt das EAVG 2012 also völlig offen. Welcher Käufer/Mieter wird daher bei laienhafter Betrachtung die Richtigkeit des Energieausweises jemals in Frage stellen? – Sicherlich nur der Käufer/Mieter, der eigeninitiativ viel Geld in die Hand nimmt und einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Energiekennzahlen sowie der Festlegung der Bandbreite beauftragt; dies natürlich mit dem unattraktiven Risiko, dass der Sachverständige auch zum Ergebnis kommen kann, dass sich die Energiekennzahlen innerhalb einer von ihm ermittelten Bandbreite befinden. Damit ist absehbar, dass § 6 EAVG 2012 in der Praxis keinen durchschlagenden Erfolg haben wird.

Unattraktive Behelfe

Auch bei den Behelfen, die der Gesetzgeber dem Käufer/Mieter zur Verfügung stellen will, um die Aushändigung des Energieausweises durchzusetzen, lässt der Gesetzgeber die für effektive Umweltschutzmaßnahmen nötige Schärfe vermissen.

Statt dass man dem Käufer/Mieter bei Nichtaushändigung des Energieausweises z.B. Preisminderungsansprüche oder Zurückbehaltungsrechte einräumt, stellt der Gesetzgeber dem Käufer/Mieter zur Wahl, entweder die Ausweisaushändigung einzuklagen (und damit wieder Verfahrenskosten zu investieren) oder selbst (vorerst auf eigene Kosten) einen Energieausweis einzuholen und die damit verbundenen Kosten vom Verkäufer/Vermieter ersetzt zu verlangen, vorausgesetzt natürlich, dass diese Kosten auch angemessen sind.

Auch in diesem Fall wird die nötige Eigeninitiative und Kostenbelastung der Käufer/Mieter eine deutliche Hemmschwelle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Rechts auf Aushändigung des Energieausweises darstellen und dem EAVG 2012 in der Praxis ein Gutteil seiner Durchschlagskraft nehmen. Abgesehen davon war das Interesse der Käufer/Mieter am Energieausweis in der B2C-Praxis schon bisher eher beschränkt, was sich angesichts der neuen Regelungen sicherlich kaum ändern wird.

Dazu kommt, dass der vertragliche Ausschluss der Gewährleistung gemäß EAVG 2012 im B2B-Geschäft – wie in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ausdrücklich festgehalten ist – vom Gesetzgeber selbst nach wie vor für zulässig gehalten wird, obwohl das EAVG 2012 grundsätzlich zwingend sein soll. Es ist davon auszugehen, dass die Praxis diese Möglichkeit auch nutzen wird.

Das abbruchreife Gebäude

Als besondere Errungenschaft des EAVG 2012 feiert der Gesetzgeber den neuen Katalog jener Gebäudekategorien, für die das EAVG 2012 nicht gelten soll. Das derzeit geltende EAVG verweist ja nur auf die jeweils anwendbaren bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften, nach welchen kein Energieausweis erstellt werden muss. Aber gerade in diesem Ausnahmenkatalog liegt eine zentrale Schwäche des EAVG 2012.

Besonders beachtenswert ist etwa die Ausnahme für objektiv abbruchreife Gebäude, die allerdings nur für den Kauf von abbruchreifen Gebäuden und – laut Gesetzgeber zur Vermeidung von Umgehungen – nur dann gelten soll, wenn das Gebäude bereits als abbruchreif inseriert ist und der Käufer erklärt, dass er das Gebäude binnen drei Jahren nach Vertragsabschluss abbrechen wird.

Diese Ausnahme wirft zahlreiche Fragen auf. Für diese Ausnahme findet sich in der EU-Gebäuderichtlinie 2010 jedenfalls kein Vorbild. Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage sind dazu auffällig kurz gehalten und enthalten nur die Erklärung, dass beim Verkauf eines abbruchreifen Gebäudes kein vernünftiges Interesse an der Vorlage und Aushändigung eines Energieausweises bestünde, wenn der Käufer ohnedies die Absicht erklärt, das Gebäude innerhalb von drei Jahren (warum gerade drei Jahre?) zu schleifen.

Das EAVG 2012 lässt z.B. offen, was unter „objektiv abbruchreif“ zu verstehen ist. Ist das wieder – wie bei der Bandbreite der Energiekennzahlen – eine Sachverständigenfrage? Was soll gelten, wenn das abbruchreife Gebäude nicht als abbruchreif inseriert ist und/oder der Käufer die ominöse Erklärung, binnen drei Jahren abzubrechen, nicht abgibt und der Käufer trotzdem abbricht? – In diesem Fall besteht ebenso kein vernünftiges Interesse an einem Energieausweis.

Was soll gelten, wenn der Käufer die Absicht hat, innerhalb von fünf Jahren abzubrechen? – Hat der Käufer dann wieder einen Anspruch auf Aushändigung eines Energieausweises? Inwieweit hat ein Immobilienmakler, der ein Gebäude im Auftrag des Verkäufers als abbruchreif inseriert, zu überprüfen und zu beurteilen, ob das Gebäude tatsächlich objektiv abbruchreif ist? Wieso soll diese Ausnahme für die In-Bestand-Gabe eines abbruchreifen Gebäudes nicht gelten?

Diese Ausnahmeregelung ist meines Erachtens also nicht wirklich
durchdacht. Nur ein Beispiel dazu: Der Vermieter einer Liegenschaft, die als Garten benutzt wird, auf der sich ein mitvermietetes abbruchreifes Gebäude befindet, das aber nicht benutzt wird, hat dem Mieter einen Energieausweis für das Gebäude vorzulegen und auszuhändigen. Der Verkäufer einer Liegenschaft, auf der sich ein abbruchreifes Gebäude befindet, kann dem aber entgehen, indem er die Abbruchreife des Gebäudes im Inserat berücksichtigt und der Käufer die Absicht erklärt, das Gebäude binnen drei Jahren abzubrechen, auch wenn er das dann gar nicht tut.

Provisorisch errichtete Gebäude

Ein weiteres Schmankerl des EAVG 2012, das besonders erwähnenswert ist, ist die Ausnahme der provisorisch errichteten Gebäude, die allerdings nur dann keinen Energieausweis erfordern, wenn die geplante Nutzungsdauer höchstens zwei Jahre beträgt. Die Nutzungsdauer von zwei Jahren hat der Gesetzgeber von der EU-Gebäuderichtlinie 2010 übernommen.

Ein Beispiel dazu: Auf Bürocontainer für Großbaustellen umgelegt, die nicht zur Ausnahme der Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von weniger als 50 Quadratmetern zählen, ist das sicherlich interessant. Eine Großbaustelle kann gut und gerne über zwei Jahre dauern. Werden auf einer solchen Baustelle z.B. gemietete Bürocontainer aufgestellt, hat der Vermieter der Bürocontainer dem Mieter dafür einen Energieausweis vorzulegen und auszuhändigen.

Schlussfolgerung

Die vorerwähnten Kritikpunkte sind nur wenige von vielen Beispielen dafür, dass das EAVG 2012 nicht ganz ausgereift ist und im Interesse des Klimaschutzes – und darum sollte es ja in Wahrheit gehen – noch mehr an Schärfe und Klarheit benötigt, um in der Praxis effektiv zu sein. Jede noch so kleine Unklarheit, die Ausweichmöglichkeiten und Interpretationsspielraum verschafft, geht in Zeiten der Immobilienkrise sonst zu Lasten eines effektiven Energieausweis-Vorlage-Gesetzes und damit zu Lasten des Umweltschutzes. Dass dieser Umstand natürlich auch seinen Vorteil hat, weil er den vom EAVG 2012 besonders betroffenen Verkäufern, Vermietern, Immobilienmaklern und Sachverständigen hilft, liegt auf der Hand.

Matthias Nödl