Die Aufteilung des Architektenhonorars

© Martin Kozcy

EuGH: Keine Umgehung des vergaberechtlichen Schwellenwertes trotz Aufteilung des Architektenhonorars auf mehrere Haushaltsjahre

Öffentlich rechtliche Bauvorhaben müssen europaweit ausgeschrieben werden, wenn der geschätzte Auftragswert den maßgeblichen EU-Schwellenwert überschreitet. Die einzelnen Architektenhonorare müssen hierbei zur Ermittlung des Auftragswerts zusammengerechnet werden, sofern die Leistungen wirtschaftlich und technisch zusammenhängen und aufeinander aufbauen. Auch haushaltsrechtliche Erwägungen rechtfertigen eine Aufteilung des Architektenauftrags über mehrere Haushaltsjahre nicht. Dies hat der EuGH mit seinem Urteil vom 15.03.2012 –Rs. C-574/10 – entschieden.

Sachverhalt

Gegenstand des Rechtsstreits waren Architektenleistungen für die Sanierung einer kommunalen Mehrzweckhalle. Sämtliche Bauleistungen wurden ohne europaweite Ausschreibung an ein und dasselbe Architekturbüro vergeben. Aus der Kostenschätzung des Architekturbüros ergaben sich Honorargesamtkosten gemäß HOAI, die den EU-Schwellenwert von 206.000 € überschritten. Die Planungsaufgaben wurden von der Gemeinde den jeweiligen Bestandteilen der zu sanierenden Mehrzweckhalle zugeordnet und aus haushaltsrechtlichen Gründen in einzelne Bauabschnitte aufgeteilt. Dadurch blieben die einzelnen Honorarwerte jeweils unterhalb des Schwellenwerts.

Entscheidung

Das Gericht urteilte, dass die bauliche Sanierung der Mehrzweckhalle ein einheitliches Bauvorhaben im Sinne des europäischen Vergaberechts sei. Eine Aufteilung der Planungsleistungen sei unzulässig, wenn dadurch das europäische Planungsrecht umgangen werde. Dienstleistungen durch Architekten seien ebenso wie andere Bauleistungen als einheitliches Beschaffungsvorhaben anzusehen, da ihr Inhalt von dem geplanten Bauprojekt bestimmt werde und sie faktisch zur Bauleistung hinzuträten. Die Leistungen wiesen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht einen inneren Zusammenhang und eine funktionelle Abfolge auf, die durch die Aufteilung der Leistungen in verschiedene Abschnitte entsprechend dem Rhythmus der Ausführungen der Arbeiten nicht durchbrochen wurde. Auch haushaltsrechtliche Erwägungen eines öffentlichen Auftraggebers rechtfertigten keine solche Durchbrechung.

Anmerkung

Das Urteil des EuGH wird sich auf die öffentlich-rechtliche Auftragsvergabe und die damit verbundene behördliche Zurückhaltung, Ausschreibungen durchzuführen, auswirken. Besonders die Auftragsvergabe an Architekten ist betroffen. Gerade diese Dienstleistungen werden häufig direkt beauftragt, ohne dass eine europaweite Ausschreibung erfolgt. Den Vergabestellen ist anzuraten, stets auch das Gesamthonorar für freiberufliche Planungsleistung im Überblick zu haben, damit sie prüfen können, ob sie ein entsprechendes Vergabeverfahren durchführen müssen. Für die Architekten birgt das Urteil Grund zur Freude und zur Vorsicht. Zum einen können bisherige Aufträge verloren gehen, da diese nun im Rahmen eines Vergabeverfahrens vergeben werden. Zum anderen eröffnet das Urteil gerade kleinen und mittelständischen Büros die Chance auf neue Projekte, da die Vergabepflicht neue potentielle Betätigungsfelder eröffnet.

Hans Herbert Moehren
Rechtsanwalt und Inhaber ADIUVO Rechtsanwälte