Neue Judikatur zur Haftung des geschädigten Bauherrn für fremdes Verhalten

Mitverschulden bei Warnpflichtverletzung. In den letzten Jahren wurde zunehmend diskutiert, unter welchen Voraussetzungen sich der geschädigte Bauherr im Rahmen des Mitverschuldens bei einer Warnpflichtverletzung des Unternehmers (§ 1168a ABGB) fremdes Verhalten zurechnen lassen muss. Ein besonderes Problem stellt sich in diesem Zusammenhang, wenn sich der Geschädigte eines Fachmannes bedient.

Diese Situation ist vor allem im Bauvertragsrecht regelmäßig gegeben, beispielsweise dann, wenn sich der Bauherr zur Planung, Koordinierung oder Bauaufsicht eines Architekten bedient bzw. zur Erstellung des exakt ausgearbeiteten Ausführungsplans Fachleute, wie Sachverständige aus dem Bereich der Geotechnologie oder der Baustatik, heranzieht. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang, ob dem geschädigten Bauherrn das Fehlverhalten dritter Personen stets entsprechend § 1313a ABGB zuzurechnen ist.Mitverschulden des Bestellers kann im Werkvertragsrecht für den Entgeltanspruch, die Gewährleistung und Schadenersatzansprüche relevant sein. Ist das Unterbleiben oder Misslingen des Werkes einer Warnpflichtverletzung zuzuschreiben, so bewirkt ein Mitverschulden daran wohl, dass dem Unternehmer ein Teil des geminderten Entgeltanspruches nach § 1168 ABGB zukommt. Bei Gewährleistung kann ein Verschulden des Bestellers allenfalls relevant sein, wenn der Unternehmer deshalb Gewähr zu leisten hat, weil er seine Warnpflicht verletzt hat (geteilte Gewährleistung). Schließlich kann jeder Schadenersatzanspruch wegen Mitverschuldens des Bestellers gemäß § 1304 ABGB gemindert sein.

Allgemeines zur Warnpflicht des Werkunternehmers

Nach ständiger Rechtsprechung besteht eine Warnpflicht grundsätzlich auch gegenüber dem sachkundigen oder sachverständig beratenen Besteller (Krejci in Rummel3 § 1168a ABGB Rz 32 mwN; RIS-Justiz RS0021906 ua). Gemäß § 1168a ABGB ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers misslingt und er den Besteller nicht gewarnt hat. Punkt 6.2.4.1 der ÖNORM B 2110 erweitert diese Aufzählung und nennt beispielweise zusätzlich ausdrücklich die Ausführungsunterlagen und Vorleistungen Dritter als Gegenstand der Prüf-und Warnpflicht des Auftragnehmers.

„Offenbar“ im Sinn der zitierten Gesetzesstelle ist alles, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss (1 Ob 769/83 SZ 57/18 mwN, 10 Ob 205/01x SZ 2002/23, RIS-Justiz RS0022259), wobei der Unternehmer für die Anwendung der in seinem Beruf üblichen Sorgfalt regelmäßig als Sachverständiger (§§ 1299 f ABGB) anzusehen ist, sodass er die üblichen Branchenkenntnisse zu gewährleisten hat (9 Ob 98/06m; 2 Ob 277/08m ZVB 2010/38 [Michl]; M. Bydlinski in KBB3 § 1168a Rz 7 mwN). Die üblichen Branchenkenntnisse im Sinne eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs konkretisiert die ÖNORM B 2110 in Punkt 6.2.4.3, wonach Mängel, zu deren Feststellung umfangreiche, technisch schwierige oder kostenintensive Untersuchungen oder die Beiziehung von Sonderfachleuten erforderlich sind, als nicht erkennbar gelten. Dies entspricht auch der Rechtsprechung.

Als „Stoff“ ist alles zu betrachten, aus dem oder mit dessen Hilfe das Werk herzustellen ist (SZ 45/75; 8 Ob 579/90 JBl 1990, 656 Dullinger). Dazu zählen etwa der Baugrund (wbl 1987, 219; 6 Ob 233/97a RdW 1998, 189), das Gebäude, an dem Arbeiten zu verrichten sind (SZ 54/128; 1 Ob 192/97k EvBl 1997/200), dem Unternehmer übergebene Pläne (4 Ob 283/98s RdW 1999, 200) und Vorarbeiten eines anderen Unternehmers oder des Bestellers, auf denen der Unternehmer aufbauen muss (SZ 37/163; 7 Ob 82/97b RdW 1997, 717). Charakteristisch ist dabei, dass dies Beiträge des Bestellers sind. Auch wenn oftmals das Baugrundrisiko als klassisches Risiko des Bestellers gesehen wird, fällt es in die Risikosphäre des Unternehmers, wenn ausnahmsweise nicht der Besteller, sondern der Unternehmer den Baugrund in das Projekt einbringt.

Die „Anweisungen“ des Bestellers können sich auf das gewünschte Ergebnis oder auf Modalitäten der Leistungserbringung beziehen (9 Ob 133/98v RdW 1999, 137). Derartige Anweisungen erfolgen entweder bereits bei Vertragsschluss (etwa in Form eines detaillierten Leistungsverzeichnisses) oder später, wenn sich der Besteller nachträgliche Konkretisierungen ausbedungen hat. Eine Anweisung liegt vor, wenn der Besteller dem Unternehmer nicht nur das eigentliche Ziel, nämlich das herzustellende Werk, vorgibt, sondern auch die Art der Durchführung in der einen oder anderen Richtung konkret oder verbindlich vorschreibt.

Die Warnpflicht des Unternehmers besteht daher grundsätzlich nur, wenn die Untauglichkeit des Stoffes bzw. die Unrichtigkeit der Anweisungen „offenbar“ ist, also erkennbar ist, dass das Werk – zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit – misslingen werde; sie ist besonders intensiv, wenn es um neue Arbeitsmethoden, technische Verfahren und Werkstoffe geht (7 Ob 515/91 JBl 1992, 114 Karollus). Aber auch in den wohl häufigeren Fällen, in denen unklar ist, ob das Werk nach den Vorstellungen des Bestellers hergestellt werden kann, ist eine (eingeschränkte) Warnpflicht anzunehmen; die Warnung hat sich dann auf ein mögliches Misslingen und dessen Wahrscheinlichkeit zu beschränken. Die Warnpflicht kann auch erst nachträglich entstehen, wenn etwa im Zuge des Baufortschritts unvorhergesehene Hindernisse erkennbar werden. Die Warnung muss so beschaffen sein, dass sie dem Besteller unmissverständlich klar macht, mit welchen Nachteilen zu rechnen ist (7 Ob 521/96 RdM 1997, 53; 1 Ob 137/04k RdW 2004, 660). Sie ist an den Besteller selbst oder einen zu deren Entgegennahme bevollmächtigten Vertreter (zB bauüberwachender Architekt) zu richten (2 Ob 80/04k RdW 2004, 529). Während die Bestimmungen des ABGB hierzu keinerlei Formfortschrift statuieren, verlangt die ÖNORM B 2110 in Punkt 6.2.4.3 die Schriftlichkeit der Warnung. Allerdings dient diese Schriftlichkeit ausschließlich Beweiszwecken, sodass auch eine mündliche Warnung grundsätzlich wirksam ist. Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür, dass er den Besteller entsprechend gewarnt hat.

Neue Rechtsprechung

Ungeachtet der von einem Teil der Lehre geäußerten Bedenken, dass ein Mitverschulden des Bestellers im Gefahrtragungssystem der §§ 1168, 1168a ABGB keinen Platz habe, wurde in der älteren Rechtsprechung dem Besteller ein Fehlverhalten von Vorunternehmern, die Pläne, Gutachten und Beratung bereitgestellt haben, als Mitverschulden zugerechnet (RIS-Justiz RS0028751; RS0021646; 1 Ob 769/83 SZ 57/18). Ein Fehlverhalten der Bauüberwachung bzw der Bauaufsicht (ÖBA) wird dagegen nach ständiger Rechtsprechung des OGH dem Besteller nicht als Mitverschulden zugerechnet. Dies mit der Begründung, dass die Aufgabe der Bauüberwachung bzw der Bauaufsicht darin besteht, den Bauherrn vor Fehlern zu schützen, die in den Verantwortungsbereich der einzelnen bauausführenden Unternehmer fallen, nicht jedoch, bauausführende Unternehmen von ihrer Verantwortung zu entlasten oder diese Verantwortung zu mindern.

Die ältere Rechtsprechung ist später insofern eingeschränkt worden, als sich ein Werkbesteller nach neueren Entscheidungen des OGH nicht mehr jedes Verschulden eines von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnen lassen muss (RIS-Justiz RS0021766 [T3]; 4 Ob 283/98s ecolex 1999, 393; 6 Ob 658/94 ecolex 1995, 714; 4 Ob 137/11t ZVB 2012/37, 128 [Zörer]). Ein Mitverschulden kommt aber dann in Betracht, wenn der Werkbesteller Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat (RIS-Justiz RS0021766; zuletzt 4Ob 137/11t).

Der Oberste Gerichtshof hat sich aktuell im Verfahren 5 Ob 16/13h erneut mit der Zurechnung des Fehlverhaltens dritter Personen zum geschädigten Bauherrn auseinandergesetzt. Vom OGH wurde das Verschulden im genannten Fall im Verhältnis 2:1 zum Nachteil des Werkunternehmers aufgeteilt. Dabei kam dem Mitverschulden des Bauherrn im Verhältnis zur Warnpflichtverletzung des Werkunternehmers geringere Bedeutung zu.

Voranzustellen ist der rechtlichen Beurteilung des OGH, dass die Werkbestellerin in ihrem Auftrag hinsichtlich der konkreten Ausführungsart am konkreten Ort detaillierte Anweisungen erteilte, die sich in der Folge als unrichtig erwiesen. Die Ursache der Unrichtigkeit lag zusammengefasst darin, dass bei Festlegung der Ausführungsmodalitäten am konkreten Standort auf die Setzungsgefährdung des angrenzenden Hochlagers, das die Bestellerin zuvor in derselben Ausführungsart hatte errichten lassen, nicht Bedacht genommen wurde. Die Beklagte wiederum hatte als Spezialtiefbauunternehmen Erfahrung bei der Herstellung von Vibrationsbetonpfählen und wusste, dass es dabei zu Bodenverdichtungen kommt.

Im gegenständlichen Fall war maßgeblich, dass die Werkbestellerin der Beklagte den Auftrag unter verbindlicher Festlegung der Herstellungsmethode erteilte. Sie hat mit dieser Anweisung die Methodenauswahl und die Festlegung des Herstellungsprozesses zu ihrer Sache gemacht und damit eine Tätigkeit, die üblicherweise dem Werkunternehmer zukommt, übernommen. Dass sie zur Erstellung des exakt ausgearbeiteten Ausführungsplans Fachleute, nämlich Sachverständige aus dem Bereich der Geotechnologie und der Baustatik heranzog und die Beklagte mit der Umsetzung beauftragte, ändert nichts daran, dass sie damit eine eigene vertragliche Mitwirkungspflicht übernommen hat. Sie hat die Art und den Umfang der Pfahleinbringung und die Örtlichkeit bindend festgelegt, ohne dem Werkunternehmer zu erkennen zu geben, an seiner fachlichen Ansicht oder Kritik an der Ausführungsart interessiert zu sein.

Fazit

Das Einschalten eines Gehilfen sollte den Besteller weder besser noch schlechter stellen, als wenn er selbst gehandelt hätte. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine Gehilfenzurechnung geboten erscheint oder nicht, ist die konkrete Ausgestaltung des Schuldverhältnisses zwischen Werkbesteller und Werkunternehmer. Im Streitfall muss die genaue Ausgestaltung des werkvertraglichen Schuldverhältnisses im Wege der Auslegung geklärt werden. Treffen also den Werkbesteller qualifizierte vertragliche Mitwirkungspflichten, muss er sich auch Fehler jener fachkundigen Vorunternehmer anrechnen lassen, die ihm einen untauglichen Stoff oder unrichtige Pläne und Gutachten geliefert haben (§ 1313a ABGB).

Die Beiziehung eines fachkundigen Gehilfen führt daher für sich allein noch nicht zum Entstehen weiterer Pflichten oder Obliegenheiten des Werkbestellers. Entscheidend ist vielmehr, ob ihn diese Pflichten oder Obliegenheiten persönlich, also unabhängig vom Beiziehen des Gehilfen getroffen haben.

Katharina Müller
Müller Partner Rechtsanwälte