Rechenfehler vs. Kalkulationsfehler

Immer wieder kommt es beim Ausfüllen von Leistungsverzeichnissen und der Detailkalkulation zu Fehlern (Rechen- und/oder Kalkulationsfehler), die der Bieter im Zuge der Angebotsprüfung korrigieren möchte. Da die Grenzen für die Zulässigkeit einer solchen Korrektur sehr eng sind, und diese auch von der Qualifikation als Rechen- oder Kalkulationsfehler abhängen, werden im Folgenden die Begriffe Rechen- und Kalkulationsfehler und deren unterschiedlichen Rechtsfolgen näher erläutert.

Rechenfehler im Sinne des § 124 BVergG

© Martin Kozcy

Eine Definition des Rechenfehlers kann dem Bundesvergabegesetz 2006 (in der Folge „BVergG) nicht explizit entnommen werden. Aus der Rechtsprechung des VwGH lässt sich allerdings ableiten, dass es sich bei einem Rechenfehler im Sinne des § 124 BVergG um eine „mit einem evidenten Erklärungsirrtum behaftete Willenserklärung des Bieters“ handelt. In der einschlägigen Literatur spricht man von jedem Fehler, „welcher im Rechengang, ausgehend vom angebotenen Einheitspreis und der ausgeschriebenen Menge, zu einer Änderung des angebotenen Gesamtpreises führt“. Demnach können nur jene Mängel als Rechenfehler qualifiziert werden, die Auswirkungen auf den Gesamtpreis haben.

Nach der Rechtsprechung des VwGH (VwGH 27.6.2007, 2005/04/0111) kommt es bei der Beurteilung des Rechenfehlers nicht auf die Richtigkeit der rechnerischen Operation an. Denn auch das (irrtümliche) Mitaddieren oder Mitübertragen von (nach dem klaren, sonstigen Inhalt des Angebotes nicht mitzuaddierenden) Eventualpositionen stellt laut VwGH einen solchen Rechenfehler dar. Folgerichtig ist, dass die Übertragungsfehler, mit denen nicht weiter gerechnet wurde, unberücksichtigt zu bleiben haben.

Kalkulationsfehler im Sinne des BVergG

Im Gegensatz zu Rechenfehler spricht das Vergaberecht von Kalkulationsfehlern oder -mängeln, wenn diese zu einem spekulativen bzw. nicht kostendeckenden Positions- und damit Gesamtpreis führen. Dies kann in der Praxis z.B. durch eine Fehlinterpretation der Ausschreibungsvorgaben, falsche Kosteneinschätzungen, spekulative Überlegungen oder einfach versehentlich passieren. Bei der Frage ob ein Kalkulationsfehler vorliegt oder nicht, geht es letztendlich um die vergaberechtlich relevante Frage der Angemessenheit des Preises bzw. ob ein der Ausschreibung widersprechendes Angebot vorliegt.

Beispiele aus der Rechtsprechung für Kalkulationsfehler:

VKS Wien 2.4.2009, VKS-2353/09: Irrtümliches Anführen des Nettopreises für ein Narkosegerät als Gesamtpreis für 18 Narkosegeräte stellt einen Kalkulationsfehler dar.

VwG 13.5.2014, VGW-123/074/22557/2014: Irrtümliches Anführen bloßer Überstundenzuschläge (also 33% bzw. 66%) anstatt der anzugebenden Normalarbeitszeit inklusive der Überstundenzuschläge (also 133% bzw. 166%) in der Preiskalkulation stellt einen Kalkulationsfehler dar.

BVA 19.3.2003, 15N-08/03-18: Bloßer Eingabefehler (Fehler durch falsche Eingabe/Übertragung der Preise des Bieters in das LV), bei dem nicht vorrangig die Regelungen des § 124 BVergG zu den zweifelhaften Preisangaben zur Anwendung kommen, stellt einen Kalkulationsfehler dar.

Unterschiedliche Rechtsfolgen:

Rechenfehler

Das Gesetz kennt den Mangel des rechnerisch fehlerhaften Angebots (§ 129 Abs 1 Z 9 und § 126 Abs 4 BVergG). Dieser Angebotsmangel unterliegt einer Sonderregelung. Zunächst ist der Aufraggeber aus Transparenzgründen gemäß § 80 Abs 6 BVergG verpflichtet, in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote ausgeschieden werden oder nicht und ob eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist.

Trifft der Auftraggeber trotz dieser ausdrücklichen Verpflichtung rechtswidrig keine Festlegung, so gibt es dafür keine Sanktion, sondern es tritt die subsidiäre Grundregel des § 126 Abs 4 BVergG in Kraft. Demnach ist die Berichtigung eines Rechenfehlers durch den Auftraggeber unter bestimmten Umständen zulässig. Rechnerisch fehlerhafte Angebote sind nach dieser Bestimmung nur dann nicht weiter zu berücksichtigen, wenn die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen – erhöhend oder vermindernd – 2% oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises ohne Umsatzsteuer beträgt.

Daraus ergibt sich, dass bei Unterschreiten dieser Grenze das Angebot sehr wohl weiter zu berücksichtigen und daher auch zu berichtigen ist. Das rechnerisch fehlerhafte Angebot verbleibt im Wettbewerb und darf nicht ausgeschieden werden. Eine Vorreihung infolge einer vorgenommenen Berichtigung ist jedoch unzulässig. Dadurch ist ausgeschlossen, dass es durch den bewussten Einbau von Rechenfehlern zu einer Vorreihung des Angebotes, also zu einer Veränderung der Wettbewerbsstellung des Bieters kommt.

Abgesehen von der subsidiären Regelung des § 126 Abs 4 BVergG kann der Auftraggeber in der Ausschreibung abweichende Festlegungen in folgenden drei Varianten treffen:

  • Angebote mit einem Rechenfehler dürfen nicht ausgeschieden werden; sie sind nach Berichtigung des Rechenfehlers vorzureihen.
  • Angebote mit einem Rechenfehler von 2% oder mehr sind auszuscheiden; Angebote mit einem Rechenfehler von weniger als 2% dürfen nach Berichtigung des Rechenfehlers nicht vorgereiht werden.
  • Angebote mit einem Rechenfehler von 2% oder mehr sind auszuscheiden; Angebote mit einem Rechenfehler von weniger als 2% werden nach Berichtigung des Rechenfehlers vorgereiht.

Legt der Auftraggeber in der Ausschreibung fest, dass rechnerisch fehlerhafte Angebote jenseits der 2%-Marke nicht weiter zu berücksichtigen sind, so müssen sie nach § 129 Abs 1 Z 9 BVergG zwingend ausgeschieden werden. Hingegen dürfen bei keiner der vier Varianten Angebote mit Rechenfehlern, bei denen die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen weniger als 2% des Gesamtpreises beträgt, ausgeschieden werden.

Kalkulationsfehler

Die Rechtsfolgen eines Kalkulationsfehlers hängen davon ab, ob der Kalkulationsfehler zu einem nicht angemessenen Preis führt, oder ob der Bieter durch seinen Kalkulationsfehler gegen die Vorgaben der Ausschreibung verstößt. Dazu im Detail:

Verstoß gegen Angemessenheit des Preises:

Das BVergG enthält keine Definition über die Angemessenheit des Preises. Auch in der Lehre und Judikatur hat sich keine einheitliche Auslegung dieses Begriffes herauskristallisiert. Aus § 125 BVergG lässt sich ableiten, dass die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen ist. Dabei soll gemäß § 125 Abs 2 BVergG von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen ausgegangen werden. Wenn nach dieser Prüfung begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen, hat der Auftraggeber eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen.

Gemäß § 125 Abs 3 BVerG muss der Auftraggeber Aufklärung über Positionen des Angebots verlangen und vertieft prüfen, wenn bestimmte Umstände vorliegen, die für eine Unangemessenheit des Preises (z.B. betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar) sprechen. Der Bieter hat bei der Aufklärung mitzuwirken und diese so zu gestalten, dass der Auftraggeber daraus seine notwendigen Schlüsse für die Bewertung des Angebots ziehen kann.

Wenn der Auftraggeber nach Durchführung einer vertieften Prüfung zum Ergebnis kommt, dass infolge eines Kalkulationsfehlers ein nicht angemessener Preis vorliegt, ist das Angebot des Bieters gemäß § 129 Abs 1 Z 3 BVergG zwingend auszuscheiden. Dem Auftraggeber kommt dabei kein Wahlrecht zu, auch wenn er dadurch unter Umständen ein besonders günstiges Angebot verliert. Kommt der Auftraggeber nach Prüfung des Angebots zum Ergebnis, dass trotz Kalkulationsfehler dennoch ein angemessener Preis vorliegt, ist das Angebot nicht auszuscheiden.

Verstoß gegen Ausschreibungsbestimmungen:

In vielen Fällen widerspricht das Angebot des Bieters bei Vorliegen eines Kalkulationsirrtums den Vorgaben der Ausschreibung. Ein Widerspruch liegt z.B. dann vor, wenn – wie oben ausgeführt – ein Bieter entgegen dem klaren Wortlaut der Positionsbeschreibung bloße Überstundenzuschläge (also 33% bzw. 66%) anstatt der anzugebenden Normalarbeitszeit inklusive der Überstundenzuschläge (also 133% bzw. 166%) anbietet. In diesem Fall liegt durch den Kalkulationsfehler ein Verstoß gegen die Ausschreibungsbestimmungen vor, was zwingend ohne vorherige Aufklärung zum Ausscheiden des Angebots führt (§ 129 Abs 1 Z 7 BVergG). Auch in diesem Fall kommt dem Auftraggeber kein Wahlrecht zu.

Fazit

Da an Rechenfehler und Kalkulationsfehler unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden, ist die richtige Einordnung des Fehlers von wesentlicher Bedeutung. Besondere Gefahr droht für Bieter bei Kalkulationsfehlern, die ihre Ursache in einem Widerspruch zu den Vorgaben in der Ausschreibung haben. In diesem Fällen führt der Kalkulationsfehler ohne vorherige Aufklärung zum zwingenden Ausscheiden des Angebots.

Bernhard Kall
Müller Partner Rechtsanwälte